10 JAHRE TINNITUSBLOG- EIN RÜCKBLICK
Vom Frühlings-Mauer-Blümchen zur Herbstfrau
Die ersten 30
Jahre (1945 bis 1975):
Kindheit mit Essstörungen, Schulanfang mit Lernproblemen.
Angst vor allem, besonders vor anderen Kindern. Ich finde mich hässlich. Ich
werde ausgelacht. Man ruft mich: Brillenschlange, Bohnenstange. Ich versuche zu
glauben, dass mich trotzdem jemand mag, verkrieche mich aber immer mehr in mich
selbst. Ich lasse keinen an mich heran. Mein Ziel: Schnell erwachsen werden,
dann wird alles anders, besser, leichter. Vom Alter her bin ich erwachsen
geworden, losgelassen auf die Menschheit als: Studentin, Lehrerin, Ehefrau,
Mutter, Tochter. Ich fühle mich vielem nicht gewachsen. Alle Pflichten zu
erfüllen, es allen recht zu machen, erscheint mir schwer. Doch ich muss es
schaffen, dann werde ich vielleicht mehr geliebt?!? Schier unmöglich, aber Ich
muss! Verlust unserer kleinen Tochter,
die Welt bleibt stehen. Trauer bestimmt mein Leben. Schuldgefühle verdrängen.
Habe ich als Mutter versagt? Ich muss Ängste überwinden. Ich muss an mich
glauben. Ich muss das Geschehene akzeptieren. Allein, die Versuche bleiben
ergebnislos. Dennoch bemühe ich mich weiterhin, in allen Lebenslagen perfekt zu
sein. Ich kann kein Lob annehmen, weil ich mich selbst nicht annehmen kann. Ich
bin es nicht wert, gelobt zu werden. Der
Tinnitus stellt sich ein, und mit ihm andere Befindlichkeitsstörungen. Was
sollen diese Geräusche bedeuten? Ich kann sie nicht ertragen...
Die nächsten 20 Jahre (1976 bis 1996):
Noch habe ich es
nicht begriffen; weiter geht mein Streben nach Perfektion als Mutter, Ehefrau,
Lehrerin, Tochter, Großmutter, Freundin, Nachbarin. Krankheiten von Kopf bis zu
den Füßen. Es gelingt mir immer weniger, allen Anforderungen, die ich selbst
(ach?) an mich stelle, gerecht zu werden. Täglich vergebliche Versuche, die
Trauer zu verdrängen. Angst davor, doch in irgendeiner Weise am Tod Sabines
schuld zu sein. Ich habe damals nichts gehört. Eine gute Mutter hört doch, wenn
ihr Kind schreit! Hat es geschrien? Ich werde noch verrückt darüber. Ich will
nicht immerzu weinen. Heulsuse! Jammerlappen! Vielleicht muss ich „es geschehen
lassen”? Bachblüten helfen. Endlich fließen die Tränen. Psychotherapie wird von
mir angenommen. Ich rede, weine, schreie, rede, weine, schreie, tage- und
nächtelang. Ich will aus meiner Haut heraus. Es gelingt mir nicht. Ich muss
lernen, mich anzunehmen. Wie? Der Tinnitus wird stärker. Er will mir etwas
sagen...
Die vergangenen Jahre (1997 bis 2019):
Ich bin Schritt für Schritt aufgewacht. Ich lasse Trauer und
Freude zu. Ich glaube an mich. Ich kann mich im Spiegel anschauen. Ich nehme
mich und den Tinnitus an. Er ist mein Helfer. Ich deute seine Töne für meinen
ganz persönlichen Weg. Ich denke positiv. Ich lasse es geschehen. Ich finde
meine Intuition, mein „inneres Kind”. Ich mag mich. Ich bin meine beste
Freundin. Ich verzeihe mir. Ich verzeihe allen, die mir bewusst oder unbewusst
wehgetan haben. Ich kann Nein sagen. Ich kann laut werden. Ich kann meine
Kreativität zulassen. Ich male, ich schreibe, ich bin...
..natürlich mit diversen Rückfällen 💗😄😏😏
..natürlich mit diversen Rückfällen 💗😄😏😏
Regina Sehnert alias
Anabella Freimann im Dezember 2010
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